Ofatumumab-Exposition über Muttermilch birgt vermutlich kein Risiko für Babys*
In Europa ist Ofatumumab der einzige monoklonale Antikörper gegen multiple Sklerose (MS), der für die Anwendung in der Stillzeit zugelassen ist. Derzeit gibt es keine Daten darüber, ob oder in welchem Umfang Ofatumumab in die menschliche Muttermilch übergeht, Fallberichte fehlen. Witt et al. analysierten die Gesundheit und Entwicklung von gestillten, Ofatumumab-exponierten Säuglingen und bestimmten die Ofatumumab-Konzentration in der Muttermilch.
Das Stillen unter Ofatumumab-Exposition wirkte sich nicht nachteilig auf die Gesundheit oder Entwicklung der Säuglinge aus. Das Risiko einer erheblichen Antikörperaufnahme über die Muttermilch durch die Säuglinge scheint zudem gering zu sein. Die Wissenschaftler der Arbeitsgruppe um Witt et al. der Ruhr-Universität Bochum und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf schlossen zwischen November 2020 und August 2022 Patientinnen in das Deutsche Multiple-Sklerose- und Schwangerschaftsregister (DMSKW) ein. Einschlusskriterien waren eine schubförmige MS-Diagnose, ein Alter ≥ 18 Jahre, eine On-Label-Behandlung mit Ofatumumab nach der Geburt und die Zustimmung zur Bereitstellung von Muttermilchproben zu verschiedenen Zeitpunkten. Die Forscher erhoben Daten zur MS-Aktivität, zu Medikation, Schwangerschaftsverlauf und -ausgang, zum Stillen und zum Wohlbefinden des Säuglings bis zu 24 Monate nach der Geburt über Telefoninterviews. Zusätzlich extrahierten die Forscher Daten aus medizinischen Unterlagen (z.B. Arztbriefe). Die Mütter entnahmen vor Beginn der Behandlung, vor der nächsten Ofatumumab-Dosis und 24 Stunden nach der Dosis in den Wochen 4, 8 und 12 mit einer Milchpumpe 10 ml Milch aus jeder Brust und schickten diese an das Analyselabor. Zusätzlich lagen Milchproben zu anderen Zeitpunkten vor. Die Forscher betrachteten folgende Endpunkte bis zu 24 Monate nach der Geburt an den Säuglingen: Entwicklungsverzögerungen, Infektionen, Antibiotikaverbrauch, Krankenhausaufenthalte, körperliche Wachstumsentwicklung, Erhalt von Lebendimpfungen und B-Zell-Anzahl unterhalb der unteren Referenzgrenze, außerdem die Ofatumumab-Konzentration in der Muttermilch.
Die Forscher schlossen 12 stillende Mütter mit Ofatumumab-Behandlung ein. Die Mütter begannen mit der Einnahme von Ofatumumab zwischen 0,6 und 19,6 Monaten nach der Geburt und stillten während der Behandlung mit Ofatumumab. Insgesamt lagen den Forschern 152 Milchproben zur Analyse vor. Von insgesamt 141 Milchproben, die Mütter direkt nach Beginn der Behandlung mit Ofatumumab entnommen hatten, wiesen 30,5 % eine Konzentration unterhalb der Quantifizierungsgrenze von 0,0015 µg Ofatumumab je ml Milch auf. Die Ofatumumab-Konzentration in der Muttermilch schwankte stark zwischen einer durchschnittlichen Konzentration von 0,027 % und 2,912 %. Zehn Säuglinge (83,3 %) hatten nach Beginn der Ofatumumab-Therapie mindestens eine Infektion (Atemwegsinfektionen, COVID-19 und die Hand-Fuß-Mund-Krankheit). Ein Säugling erhielt 2 aufeinanderfolgende systemische Antibiotika für eine Atemwegsinfektion, 2 weitere Säuglinge wurden wegen des Respiratorischen Synzytialvirus (RSV) und einer Bronchitis ins Krankenhaus eingeliefert und mit Sauerstoff bzw. einem fiebersenkenden Medikament behandelt. Während oder nach dem exponierten Stillen erhielten 8 Säuglinge (66,7 %) Lebendimpfstoffe. Keiner der Säuglinge wies reduzierte B-Zell-Zahlen unterhalb der Untergrenze auf und keiner hatte Entwicklungsverzögerungen.
Fazit:
In vorliegender prospektiver Kohorte schien sich das Stillen unter Ofatumumab-Exposition nicht nachteilig auf die Anfälligkeit der Säuglinge für Infektionen, Krankenhausaufenthalte, Impfungen oder die körperliche, soziale oder emotionale Entwicklung auszuwirken. Nach Lebendimpfungen traten keine unerwünschten Reaktionen auf, auch die B-Zell-Anzahl befand sich im normalen Rahmen. Die Ofatumumab-Konzentrationen in der Muttermilch waren im Allgemeinen niedrig, so die Experten.
Quelle:
Autor Studienreferat: Dr. Maddalena Angela Di Lellis, Tübingen
*Studie wurde von Novartis Pharma GmbH vorgeschlagen. Thieme hat sie neutral zusammenfassen lassen.