Multiple Sklerose: Komorbiditäten beeinflussen die Krankheitsaktivität

Der klinische Verlauf der multiplen Sklerose (MS) ist sehr variabel. Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Krankheitsschwere zum Diagnosezeitpunkt und der weitere Krankheitsprogress davon abhängen, wie stark die Betroffenen durch Begleiterkrankungen belastet sind. Ein Forscherteam aus den USA und Kanada untersuchte diese Hypothese nun mithilfe einer Metaanalyse umfangreicher Studiendaten.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werteten individuelle Teilnehmerdaten von 17 zwischen 2001 und 2018 durchgeführten Phase-3-Studien aus. Alle Untersuchungen hatten krankheitsmodifizierende MS-Therapien geprüft. Die Nachbeobachtungszeit betrug dabei jeweils mindestens 2 Jahre. Von allen Patientinnen und Patienten lagen detaillierte Informationen zu vorbestehenden Erkrankungen vor. Den primären Studienendpunkt bildete die Krankheitsaktivität im Verlauf von 2 Jahren. Von einer aktiven MS gingen die Forschenden aus, wenn im Verlauf eine Verschlechterung der Expanded Disability Status Scale (EDSS) oder ein Schubereignis eingetreten waren, oder wenn die Magnetresonanztomografie (MRT) neue Läsionen oder die Vergrößerung bestehender Herdbefunde gezeigt hatte.

 

Ergebnisse

 

Insgesamt werteten die Forschenden Daten von 16794 Personen (67,2% Frauen) aus. 45,4% der MS-Kranken litten an mindestens einer Begleiterkrankung. Im Verlauf von 2 Jahren traten bei 61% der Patientinnen und Patienten Anzeichen einer Aktivität der neurologischen Erkrankung auf. Bei Berücksichtigung potenzieller Störvariablen zeigte sich: Ein signifikant erhöhtes Risiko für eine aktive MS hatten – im Vergleich zu Personen ohne Komorbiditäten – MS-Kranke mit 3 oder mehr Komorbiditäten (adjustierte Hazard Ratio/aHR 1,14; 95%-KI 1,02–1,28). 2 oder mehr kardiometabolische Begleiterkrankungen korrelierten ebenfalls – im Vergleich zu keinen kardiometabolischen Komorbiditäten – mit einem signifikant erhöhten Risiko für eine aktive MS (aHR 1,21; 95%-KI 1,08–1,37). Als besonders risikoreich erwiesen sich diesbezüglich die ischämische Herzkrankheit, die Hypertonie sowie zerebrovaskuläre Erkrankungen. Personen mit mindestens einer psychiatrischen Vorerkrankung entwickelten im Vergleich zu psychiatrisch Gesunden ebenfalls häufiger eine aktive MS (aHR 1,07; 95%-KI 1,02–1,14). Besonders problematisch erwies sich diesbezüglich die Depression (aHR 1,11; 95%-KI 1,03–1,20). Als Risikofaktoren für eine Krankheitsverschlechterung gemäß EDSS identifizierte das Team das Vorliegen von 2 oder mehr Komorbiditäten, von 3 oder mehr Komorbiditäten, von 2 oder mehr kardiometabolischen Komorbiditäten sowie von einer bzw. von 2 oder mehr psychiatrischen Komorbiditäten. Ferner die Hyperlipidämie, die ischämische Herzkrankheit, zerebrovaskuläre Erkrankungen, die periphere Gefäßerkrankung, die Depression sowie Lungenerkrankungen. Für einen MS-Schub prädisponierten das Vorliegen von einer bzw. von 2 oder mehr psychiatrischen Komorbiditäten, die Depression, Lungenerkrankungen sowie Migräne. Die ischämische Herzkrankheit und der Diabetes erhöhten das Risiko für aktive MRT-Läsionen.

 

Fazit:

Eine starke Komorbiditätenbelastung, so das Fazit der Forschenden, wirkt sich vermutlich ungünstig auf den MS-Verlauf aus. Einschränken geben sie allerdings zu bedenken, dass wichtige Informationen wie die Schwere der Komorbiditäten sowie weitere Risikofaktoren bei ihrer Analyse unberücksichtigt blieben. Nichtsdestotrotz empfehlen sie, im klinischen Alltag ein besonderes Augenmerk auf die Prävention und die Behandlung von Begleiterkrankungen von MS-Kranken zu legen.

Quelle:

Lorenz J. Multiple Sklerose: Komorbiditäten beeinflussen die Krankheitsaktivität. Allgemeinmedizin up2date 2025; 06(01): 7 – 8. doi:10.1055/a-2466-5459

Publikationsdatum: 18. Februar 2025 (online)

Autor Studienreferat: Dr. med. Judith Lorenz, Künzell